Kleine Wunder auf der Bühne des Gedichts

Zu Rosemarie Zens: „Oberhalb der Solarsegel“, Die Scheune Verlag Dresden, 2005

…Es ist eine faszinierende Welt, die in klarer Sprache auf die Bühne des Gedichts gebracht wird. Bilderreich und doch reduziert, in lebendiger Rhythmik. Die erfahrene Schriftstellerin weiß selbstverständlich, dass sie nicht alles auf einmal auf die Bühne bringen kann. Und doch, das ist gleichermaßen Antrieb, Fluch und Geschenk der Gabe des Schreibens, entsteht der Text aus dem Wunsch, alles zu sagen. Ein Wort zieht das andere nach sich. Zu bewundern ist Zens‘ Kunst des Weglassens, die immer gerade genug zeigt, um noch den Wunsch, die ganze Welt zu erfassen, spüren zu lassen. Pars pro toto, in einem kleinen Text ein Teil der ganzen Welt.
Die Sprache der Texte ist gleichermaßen archaisch und modern. Besondere Präsenz haben für mich Gedichte wie Ketzerin Magie, Am frühesten Morgen oder Fantasy Mix, dem auch das Eingangszitat entnommen ist. Doch auch jene Texte, die oft einer wissenschaftlichen Sprache entnommenen sind, haben ihren eigenen Reiz, sind ironisch, manchmal auch subversiv (Siliziumherz). In den Gedichten scheint die neuzeitliche Gefahr auf, dass wir von dem archimedischen Punkt außerhalb der Welt aus nun auch die Fähigkeit erworben haben, diese Welt und mit ihr unser Selbstverständnis aus den Angeln zu heben…

(Bettina Schmitz, in: www.leipzig-almanach.de, 20.7.2005)