Zur Ideologiegeschichte der Psychologie
Die literarische Krankengeschichte als Zeitgeschichte der Moderne

 

Im Bemühen um ein umfassendes Verständnis von Gesund- und Kranksein sind wir seit der Aufklärung und seitdem vom Positivismus geprägten Denken des 19./ 20. Jahrhunderts einen weiten Weg gegangen.
Nachdem die Vorstellung von Krankheit und Gesundheit sich auf Krankheit als rein objektivierbare wissenschaftlich medizinische Größe reduziert hat, erfolgt im Zuge dessen eine allmähliche Eingliederung der Seelenforschung in den naturwissenschaftlichen Rahmen. Analytische Beobachtung und Reflexion werden zu methodischen Mitteln. Während wissenschaftsgeschichtlich im 19. Jahrhundert die entschiedene Hinwendung zur empirischen Wirklichkeit vorangetrieben wird, wird die innere Wirklichkeit des Menschen vernachlässigt. Statt sich von den Dingen, Erscheinungen oder Menschen etwas sagen zu lassen, soll mit Hilfe des mikroskopischen Blickes die Erfahrung des Seelenlebens objektivierbar sein.
Zwar wird durchaus noch eine verstehende Psychologie betrieben – wie auch in dem um 1800 erschienenen ‚Magazin der Erfahrungsseelenkunde‘ von Karl Philipp Moritz nachzulesen – doch sind Verstehen und Erklären in der Psychologie hier noch nicht geschieden.
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