Siliziumherz – Die Stimme als Instrument und Inspiration      PDF ↓

 

‚Meine Treuen! Vertragt Euch!‘
Samuel Beckett, Wort und Musik

 

Es ist der Rhythmus, der die Struktur schafft

Der Dialog zwischen Wort und Musik kann ein neues Genre hervorbringen. Nicht den gesprochenen Popsong. Nicht das musikalisch unterlegte Sprachlautexperiment. Vielmehr die Kunstform Tonbilder, wie wir die durch Stimme und Komposition gestaltgewordenen Rhythmen im Hörbuch »Siliziumherz« nennen, in denen Worte zu Klängen und Töne zu Worten werden.

Der Rhythmus gibt in der Wiederholung des Ähnlichen den Takt vor, während das Zusammenspiel beider Elemente, Wort und Musik, bildhafte Erzählstrukturen erzeugt. Dabei reihen sich kleine Hörspiele und historische Dramen (Karthago, Mehrfach übermalt) zu Momenten elegischer Stimmungen (Museum Erde. Magazin). Und Wortkaskaden der Klage, der Reklamation, der Deklaration (Siliziumherz, Katze. Kupiert, Der verbannte Fuchs) folgen auf leise Töne oder einem gesprochenen Chor, dessen geballte Worte sich zu einem rituellen Beschwören und Einstimmen in Widerspruch und Zustimmung formen. (Graffiti, Im Orchestergraben, Die Indianerfrau).

 

Das Abtragen des Kreises über die Zeit

Die Zeilenumbrüche innerhalb der Gedichte und lyrischen Prosa passen sich wie ein Möbius’sches Wortband den wechselnden Zeit- und Raumbeschreibungen an und erwecken so den Eindruck, dass Subjekt und Objekt durch Perspektiv- und Bedeutungsverschiebungen fortlaufend oszillieren. All dies findet seine kongeniale Entsprechung in den erfindungsreichen Improvisationen der musikalischen Kompositionen.

Zuweilen erscheinen die Tonbilder als spukartige Echos aus den Tiefen unseres Unterbewusstseins, oder wie hörbare Selbstgespräche, die auftauchen und verschwinden (Graffiti). Und dann können wiederum akustische Blitzlichter den Drang aufzeigen, das Unsagbare zu überwinden (Orakel).

Wenn mehrere Stimm-Modulationen und Klangfolgen sich in Symmetriebrechungen überschneiden und in Loops wiederholen, treten leitmotivische Themen hervor: zum Beispiel unsere Verbundenheit mit der Natur, ihrer Schönheit und Vergänglichkeit (Prélude. Après) oder unser Widerstreit zwischen innerer Zerrissenheit und Glücksmomenten (Pan ist nicht tot).

Komposition, Gedicht, lyrische Prosa und Stimme, sie alle bestehen aus musikalischen Elementen und beanspruchen ihr eigenes Recht. In erster Linie aber ist es die Stimme mit ihrer besonderen Ausdruckskraft als Instrument und Inspiration sowohl für Wort und Musik, die in »Siliziumherz« die Kunstform Tonbilder prägt.

 

© Rosemarie Zens
in: Booklet des Hörbuchs Siliziumherz Berlin 2003. Reprint 2022

 

zum Hörbuch „Siliziumherz“